Katalonien - Casa Vicens

Das erste Haus, das Gaudí je entworfen und gebaut hat, ist seit vergangenem November nach sorgfältigen und aufwendigen Renovierungs- und restaurierungsarbeiten für die Öffentlichkeit zugänglich. Nach fast dreijähriger Bautätigkeit präsentiert sich die Casa Vicens, die 130 Jahre als privates Wohnhaus genutzt wurde, als lebendiges Museum und innovativer Kulturraum. Das beispiellose Interesse an dem jüngsten Weltkulturerbeobjekt Barcelonas beruht nicht nur auf seiner Bedeutung für Gaudís Gesamtwerk, sondern auch auf seiner außergewöhnlichen Ornamentik. Die Casa Vicens kann als Manifest für Gaudís Schaffen betrachtet werden. Sie zeigt die konstruktive Stilfreiheit, die zu Zeiten des berühmten Architekten völlig ungewöhnlich war und auch seine spätere kreative Entwicklung hinweist. Das Gebäude nimmt außerdem andere zeitgenössische Bewegungen der europäischen Avantgarde des späten 19. Jahrhunderts vorweg.

Die Eröffnung der Casa Vicens für die Öffentlichkeit wurde durch ein strenges architektonisches Konzept möglich, das zum einen darauf abzielte, das Haus originalgetreu wiederherzustellen, indem man auf alle verfügbaren Archivquellen über den Architekten und den historischen, sozialen und architektonischen Kontext rekurrierte, und zum anderen das Haus selbst als primäre Quelle zur Beweisführung für bauliche Hypothesen zu nutzen.

Seit dem Beginn der Restaurierungsarbeiten im Jahr 2015 hat die Casa Vicens einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Den Architekten ist es gelungen, dem Gebäude sein ursprüngliches Aussehen, so wie es Gaudi zwischen (1883-1885) entworfen hatte, zurückzugeben und gleichzeitig Modernität und Funktionalität zu integrieren, damit die Innenräume ihrer neuen Nutzung als Kulturraum und Musuem zugeführt werden konnten.

Die Casa Vicens wurde zwischen 1883 und 1885 als Sommerhaus von dem erst 31-jährigen Gaudí für den Börsenmakler Manel Vicens i Montaner (1836-1895) erbaut. Es war Gaudís erstes Gebäude in Barcelona, wo er sein immenses Talent unter Beweis stellte.

Für das Haus wurden vier Etagen geplant: der Keller mit einem Lagerbereich; das Erdgeschoss mit einem Esszimmer, Wohnzimmer und Küche; der erste Stock mit den Schlafzimmern und der Dachboden für die Angestellten. Das Haus hatte ursprünglich nur drei Fassaden, weil es im Nordosten an die Wand des Nachbargebäudes angrenzte. Die Südwest- und Hauptfassade öffnete sich zu dem weitläufigen Garten hin. Diese Ausrichtung sorgte das ganze Jahr über für eine gute Sonneneinstrahlung und ein günstiges Wohnklima.

Die Veranda im Erdgeschoss des Gebäudes zählt zu den wichtigsten Bauelementen. Sie wurde als teilweise offener Raum entworfen, der den Innen- und Außenbereich des Hauses miteinander verbindet und sich die Natur aus dem Garten optisch im Wohn- und Esszimmer fortsetzt. Der Garten wurde von einem großen Wasserfall im Inneren eines Parabolbogens beherrscht, der auch zum Abkühlen der Veranda beitrug.

Gaudí basierte sein Design auf der Einfachheit von Bautechniken, die tief in der katalanischen Tradition verwurzelt sind. Jedoch mutieren die Formen aufgrund seiner architektonischen Visionen und Ideen zu hochkomplexen Geometrien, in eine Komposition von polygonalen Linien, die sich stark von den gekrümmten geometrischen Linien in Gaudís späteren Werken unterscheidet.

Bei der Casa Vicens spielte Gaudí mit hervor- und zurückstehenden Elementen, mit Licht und Schatten, mit Farben und Texturen, die typisch für die maurische Architektur sind. Sie alle werden vereint durch ihre Anleihe an die mediterranen Vegetation.

Gaudís wichtigste Inspirationsquelle für seine gesamte Arbeit war die Natur selbst. Die Casa Vicens mit ihren zahlreichen natürlichen Elementen und Darstellungen ist dafür eines der ersten Beispiele. Zu den Höhepunkten gehören das gusseiserne Haustor, für das Gaudí die Form von Palmwedeln verwandte und die Ringelblumen, die Gaudi als ornamentale Elemente auf den Keramikfliesen der Fassade anwandte. Die Verwendung von Naturelementen ist nicht nur auf das Äußere des Hauses beschränkt, sondern Gaudí setzte sie auch bei einer Vielzahl von dekorativen Kunsthandwerkstechniken wie Schmiedeeisenarbeiten, Malerei, Keramik, Holzbearbeitung und Wandmalerei ein, um der Natur im Hausinneren Geltung zu verschaffen und die Kontinuität zwischen Innen- und Außenräumen zu wahren. Mit der Casa Vicens löste sich Antoni Gaudí von allem, was zuvor in Katalonien gebaut worden war, weshalb das Gebäude zu den ersten Meisterwerken des Modernisme zählt.

Für die Besichtigung der Casa Vicens wurde ein ausgeklügeltes Einlasssystem entwickelt, das den Besuchern dank der begrenzten Kapazität und der Kontrolle über Stoßzeiten ein personalisiertes Kunsterlebnis ermöglicht - Vorreservierung unbedingt notwendig!

© OET

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